China! Die Volksrepublik ist nach wie vor das wahre Mekka des Teetrinkens. Nur hier ist es für sinophile Grünteetrinker authentisch. Da Teetrinken in China noch vor 30 Jahren als bourgeois und konterrevolutionär verschrien war, fielen fast alle Teehäuser der Ideologie zum Opfer. Eine Tee-Kultur ist jedoch langsam wieder im entstehen, denn Tee ist nach wie vor das Nationalgetränk Nr. 1 (und wird im Alltag vorzugsweise aus 'praktischen' Schraubdeckelgläsern getrunken). Dank wirtschaftlichem Aufschwung und freiem Unternehmertum sprießen in den letzten Jahren auch wieder private Teehäuser aus dem Boden - natürlich nur dort, wo man auch mit finanzkräftigen Touristen rechnen kann. Da die schönsten Plätze zum Teetrinken eindeutig die alten Parks und kaiserlichen Anlagen bilden, ist meine Übersicht gleichzeitig auch ein Streifzug durch Chinas klassische Gärten. Nur hier kann man inmitten des wirtschaftlich voranstürmenden Chinas noch etwas Schönheit und Ästhetik genießen.


Beijing
(Peking)

Beijing, mon amour. Diese Stadt war meine Muse. Kein anderer Ort in China besaß für mich eine solch intensive Stimmung. Hier fand ich all das, was mich an China begeisterte: Klassische Architektur, die Gassen und Höfe der Hutungs, kleine Garküchen am Straßenrand und große alte Gartenanlagen. Es gab Weite, Muße und eine Fülle schöner authentischer Antiquitäten in der berühmten Liulichang. Die letzten Jahre haben all das jedoch sehr verändert. Das Alte wurde abgerissen oder auf Hochglanz poliert, das Spezifische aus dem öffentlichen Erscheinungsbild verbannt. Die Olympiade 2008 führte für Beijing zu einem erneuten "Sprung nach vorne" - mit ähnlichem Ergebnis.

Unterkunft
Zum Übernachten empfehle ich das
Bamboo Garden Hotel, das einzige Hotel im klassischen chinesischen Baustil, eingebettet in eines der alten Hutung-Stadtviertel von Beijing.

24 Xiao Shiqiao Jiugu         (Xiao Shiqiao Gasse Nr. 24)
Jiugulou Dajie                     (Jiugulou Straße)
Xicheng Beijing       
            (Weststadt Bezirk von Beijing)
(500 m südlich der U-Bahn Station Gu Lou Da Jie, siehe Lageplan)
Tel.: 0086 10 58520088
Fax: 0086 10 58520066
E-Mail: bbgh@bbgh.com.cn
www.bbgh.com.cn

 


Im Zhong-Shan-Yuan (Sun Yatsen Park), gleich südwestlich der Verbotenen Stadt, habe ich das schönste Teehaus von Beijing gefunden. Auf einer kleinen Insel gelegen und umgeben von klassischen Bauten der Kaiserzeit, war der nur 5 x 8 m große Hauptraum mit Antiquitäten als Sitzgelegenheiten ausgestattet, Bonsais standen in den Ecken und ein Go-Brett lud zum Spielen ein. Schöne Kalligraphien hingen an den Wänden und alte Teekannen standen zum Anschauen in einem Regal. Ich glaubte es kaum! Das beste aber war in diesem heißen Sommer der dazugehörige weite, von Bäumen beschattete Platz, auf dem bequeme(!) Armlehnstühle zum Teetrinken einluden. Für hiesige Verhältnisse ein Höchstmaß an Ästhetik und Luxus.


Der Beihai-Park (Nordmeer-Park), die große Oase im Zentrum der Millionenstadt, bietet gleich zwei schöne Plätze zum Teetrinken: Der am nördlichen Rand gelegene Jing Xin Zhai (Ort des reinen Herzens) ist ein Komplex aus mehreren Gebäuden und bildet einen "Garten im Garten", d.h. eine kleine, durch eine umlaufende Mauer abgegrenzte Anlage. Früher war er die Wohnstätte einer Mandschu-Prinzessin - ein absoluter Traum an klassischer Gartenbaukunst. In seiner Mitte liegt der Wasser-Pavillon (Qin Quan Lang): Für mich eindeutig der schönste Platz zum Teetrinken in Beijing.
Auf der von einem weißen Stupa gekrönten Insel lädt auf halber Höhe die Terrasse des Chun Yin Cha Wu - Teehauses zum Teetrinken ein. Als die Bäume früher noch nicht so hoch waren, hatte man zusätzlichen einen schönen Blick über den ganzen Beihai-Park.  20 Teesorten werden angeboten und auf einem Schild verspricht man "The environment of the teahouse is elegant and the service is good". Hier ist der einzige Ort im Beihai-Park, an dem auch im Winter bei klirrender Kälte noch Tee ausgeschenkt wird.

Historische Aufnahme

Der Wasserpavillon


Der Sommerpalast (Yi He Yuan) nordwestlich von Beijing ist ebenfalls ein wundervoller Ort, um Raum und Weite zu genießen. Hier verlieren sich die Besuchermassen und man kann in Ruhe seinen Gedanken nachhängen.
Bester Platz zum Teetrinken ist auch hier wieder ein "Garten im Garten", der Xie Qu Yuan (Garten der harmonischen Stimmung), ein architektonisch wie auch ästhetischer Genuss. Sobald es die Jahreszeit zuläßt, wird in den überdachten Galerien und Pavillons, die den kleinen See in einem Mäander umziehen, Tee in stilechten Deckeltassen ausgeschenkt. Für insgesamt 20 Yüan bekommt man auch noch eine große Thermoskanne mit heißem Wasser unter den Tisch geschoben und wird dann allein gelassen. Muße pur. Und sollte der Garten mal wieder wegen einer der zahlreichen Filmaufnahmen abgesperrt sein, so ist eventuell (wenn die Parkverwaltung ein Einsehen hat) in seiner nordwestlichen Ecke ein schönes zweistöckiges Teehaus geöffnet, von dessen Balkon man einen wundervollen Blick über die ganze Anlage genießt.
Eine dritte Möglichkeit zum Teetrinken bietet die "Suzhou-Straße". Sie ist die Rekonstruktion einer südchinesischen Einkaufsmeile, die hier vor 250 Jahren zur Zerstreuung des kaiserlichen Hofstaats erbaut wurde. Neben allerlei Kunsthandwerk findet sich in ihrem westlichen Teil ein Teehaus, das mit seinen Sitzen im Freien einen schönen Blick auf das bunte Treiben bietet.
Am ruhigsten sind jedoch die beiden beim "Marmor-Boot" gelegenen Teehäuser am großen See, die im zweiten Stock immer einen freien Tisch mit schöner Aussicht bieten.

 


Im Xiang Shan (Duftende Berge), ebenfalls nordwestlich von Beijing und in den ersten hügeligen Ausläufern des mongolischen Hochlandes gelegen, befanden sich früher die kaiserlichen Jagdgebiete. Heute sind sie ein beliebtes Ausflugsziel und sollten, wie alle chinesischen Parks, möglichst nicht am Wochenende aufgesucht werden.
Noch bevor es die steilen Hänge hinauf geht, liegt in der Ebene ein schöner alter "Garten im Garten" hinter einer hohen Mauer verborgen, der
Jian Xin Zhai ("Ort, der das Herz bewegt"). Wie wahr! Ein Kleinod an chinesischer Architektur. Mehrere Gebäude liegen verstreut zwischen Felsen und Bäumen, das Teehaus findet sich unten am See, aber auch in einem zweistöckigen Pavillon darüber wird ab und zu an drei Tischen noch Tee ausgeschenkt. 
Den Berghang etwas weiter hinauf, wurden im Sommer 1999 die Renovierungsarbeiten an einem alten Anwesen abgeschlossen: Der Yu Hua Tempel wurde schon während der Ming-Dynastie erbaut, 1860 von europäischen Truppen im Rahmen des Opiumkrieges zerstört, 1931 als privates Anwesen wiederhergerichtet - und verfiel dann ab 1956, als er von seinem Besitzer an den Staat zurückgegeben werden "durfte"... Auf drei Terrassen kann man hier überall Tee trinken und an klaren Tagen reicht der Blick bis hinüber nach Beijing.

 


Eine Attraktion ganz besonderer Art ist das Tianqiao Le Chayuan (Das fröhliche Teehaus im Tianqiao-Bezirk). Man hat hier ein altes Teehaus renoviert (das einzige alte, das in Beijing überlebt hat) und bietet abends ein rund zweistündiges buntes Programm mit Artistik, Komödie und chinesischer Oper. An seitlich aufgebauten Ständen kann man sich vor der Vorstellung mit allerlei Leckereien versorgen, am Tisch wird vom Personal während der ganzen Vorstellung heißes Teewasser aus langschnäbeligen Kupferkannen in die klassische Deckeltasse nachgefüllt. Auch ohne chinesische Sprachkenntnisse eine feine Sache in klassischem Ambiente.

 


Sehr zu empfehlen und ein echter Geheimtipp war lange Zeit Gong Wang Fu, die ehemalige Residenz des Prinzen Gong, keine fünf Minuten nördlich vom Beihai-Park. Die prächtige Residenz wurde einst vom einflussreichen Eunuchen Ho Shen, einem Günstling des Kaisers Qian Long, erbaut. Während die weitläufige Wohnanlage bis heute von einer Hochschule genutzt wird, war der Park bereits seit vielen Jahren zugänglich: Ein Kleinod der Gartenbaukunst, mit einem Wasserpavillon im See, Wandelgängen, Mondtoren, künstlichem Felsgebirge und einem großen, schön ausgemalten Theater. Seit man den Park nun grundlegend renoviert und sogar das große Teehaus am nördlichen Ende originalgetreu wiederaufgebaut hat, nehmen die Touristenströme kein Ende und mit der Muße ist's vorbei - selbst im Teehaus.
(Wer sich für die äußerst interessante und spannende Geschichte dieses späterhin prinzlichen Anwesens interessiert, sollte sich folgende Publikation besorgen:
"Prince Kung's Palace and its adjoining garden in Peking" by George Kates and H. S. Chen, in: Monumenta Serica, V, 1940.)


Last but not least: Mein Stützpunkt in der Liu Li Chang, Beijings berühmte Antiquitätengasse. Genau wo seit kurzem eine neue Fußgängerbrücke die Straße überspannt (und eine viel schönere alte aus Marmor ersetzt), befindet sich im zweiten Stock  das Ji Gu Ge Teehaus. Da es sich gleichzeitig um ein Teegeschäft handelt, kann man hier unter 30 Sorten wählen, die - und das ist in China ein unschätzbarer Vorteil - in großen Glasgefäßen sowohl zum Ansehen als auch zum Schnuppern bereitgehalten werden! Für den kleinen Hunger gibt es eine schöne Auswahl an chinesischen Süßigkeiten, frischem Obst und die allgegenwärtigen Sonnenblumenkerne. Eine große Terrasse bietet die Möglichkeit, der (ebenso allgegenwärtigen) air-condition zu entfliehen und man hat zudem einen schönen Blick hinab auf das bunte Treiben. Genau der richtige Ort, um sich frühmorgens geruhsam dem ersten Tee zu widmen, sich in der Mittagspause mit einem Buch auszuruhen oder sich abends, nach stundenlangem Stöbern in den Antiquitätenläden, erschöpft in einen der Armlehnstühle fallen zu lassen. 
Und um den puren Luxus noch voll zu machen: Das Teehaus ist täglich bis 22 Uhr geöffnet! China wandelt sich merklich.

 

 

 

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