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"Übersetzung,
das ist die Kunst, für das fremde Wort immer ein passendes Wort in der
Muttersprache zu finden. Wenn das richtige Wort einmal gefunden ist, kann
auf interpretierende Umschreibung verzichtet werden. Damit bleibt der Stil
des Originals erhalten.
Übersetzungen, zumal eines so alten Textes, erfordern auch ein gewisses Maß
von Einfalt: die beste Übersetzung ist die einfältigste, die nicht
krampfhaft nach brillianten Deutungen sucht oder exquisite, erlesene
Wendungen benötigt. Nur eine einfältige Übersetzung kann getreu sein, sie
ergibt dann aber auch einen klaren Text. Darum habe ich auf Erläuterungen,
Kommentare und Fußnoten verzichtet, die bisherige Ausgaben so umfangreich
machten.
Die beiden Schlüsselwörter DAO und DE habe ich überall strikt als Sinn
und Kraft wiedergegeben und damit Verwaschungen oder verblasene,
hochgestochene Interpretationen vermieden. Meine Übertragung ist eher eine
sinnentsprechende Nachdichtung, keine philologisch genaue Übertragung. Das
mögen andere besorgen."
(Aus
der Einleitung)
Der Einleitungstext zu
dieser Übertragung des Daodejings ist erstaunlich. Von einem
Fachmann für alte Schrift und Kulturen hätte man anderes erwartet, als die
reine Übernahme von Texten von Martin Hürlimann, dem Gedicht von Bertold
Brecht oder einer Groteske von Klabund aus dem Jahr 1922. Auch, dass der
Autor der Meinung ist, es gäbe nur 12 deutsche Übersetzungen des Daodejing
ist nicht nachvollziehbar. Ebenso befremdlich für einen Fachmann ist die
fehlende Klarstellung zur fiktiven Person des Laozi – Kosack belässt
es bei einem historischen "Gelehrten und Archivrat", der tatsächlich mit
Konfuzius zusammentraf. Vor allem die Meinung des Philologen, chinesische Texte ließen
sich analog mit einfachen Worten ins Deutsche übersetzen und jede
Form von Kommentierung zeuge von mangelnder Übersetzungsqualität
befremdet. Ganz offensichtlich kennt sich Kosack mit dem Chinesisch nicht
aus (und muss deshalb hier auch auf die Übersetzungsarbeit der Mawangdui-Fassung von
Hans-Georg Möller zurückgreifen). Warum sich der ausgewiesene Ägyptologe und
Koptologe hier einmalig an einem chinesischen Text versucht und was er mit einer
"Nachdichtung" des Daodejing ohne Deutung bezweckt (jedoch mit der erstaunlichen
Interpretation von Dao und De als Sinn und Kraft), erschließt sich nicht.
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