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104 v.u.Z. =>
Die chinesische Legende 104 v.u.Z. - 1644 => Die alten chinesischen Quellen 1644 - 1842 => Die Jesuiten 1842 - 1870 => Die ersten europäischen Übersetzer 1870 - 1930 => Zu Beginn des 20. Jahrhunderts 1930 - 1973 => Mitte des 20. Jahrhunderts 1973 - heute => Der aktuelle Stand der Forschung => Ergo |
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Der erste historisch verbürgte Bericht, der Angaben über das Leben des Laotse bietet, stammt von dem berühmten chinesischen Geschichtsschreiben Sima Qian, der in den Jahren 145-79 vor Beginn unserer Zeitrechnung lebte und in seinen "Historischen Aufzeichnungen" (shi ji) um 104 v.d.Z. das Wissen der damaligen Zeit verewigte: |
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Selbst Sima Qian war sich aber schon zu seiner Zeit nicht mehr sicher, was er von all den unterschiedlichen Legenden über Laotses Leben halten sollte und so räumt er bei seinen Aufzeichnungen gleich ein, daß das Berichtete nur vage sei und nicht einmal ein Geburtsdatum von Laotse verbürgt werden könne. |
Sie kommen ab der Mitte des 17. Jahrhunderts ins Spiel und zwar in recht stattlicher Zahl. Als erste westliche Gelehrte treten sie für längere Zeit mit dem noch jungen chinesischen Kaiserhof der Mandschu und den dortigen gelehrten Kreisen in Kontakt, so daß ein zaghafter kultureller Austausch und ein erstes Eindringen in die chinesische Gedankenwelt möglich wird. Sie hören von der Staatslehre des Konfuzius und bringen auch erste Kunde von Laotse nach Europa, in Form einer kleinen Schrift, die die Lehre jenes alten Weisen zusammenfasst und sich ungefähr "dau de dsching" ausspricht. Sein Inhalt ist schwer verständlich und bereitet den Missionaren erhebliches Kopfzerbrechen. Als ihre Geldgeber in Europa schon am Sinn und Zweck der erfolglosen kirchlichen Missionsarbeit in China zu zweifeln beginnen und die finanziellen Mittel drastisch kürzen, erstellen die Jesuiten in Peking mehrere Übersetzungen jenes "dau de dsching" - und stoßen dabei (welch Zufall!) auf drei Schriftzeichen, die man (mit viel Phantasie und gutem Willen ...) lautlich als JEHOVA, den zentralen christlichen Gottesbegriff, aussprechen kann. Da sind die Jesuiten natürlich sehr angetan und berichten ihre Entdeckung noch schnell nach Europa. Doch Ihr Orden wird 1773 endgültig aufgelöst. Im Nachhinein gelangt eine der handschriftlichen Übersetzungen 1788 an die Londoner Royal Society. Damit macht das "dau de dsching" den ersten Schritt nach Westen, der zu einem Triumphzug werden wird. |
In französischen Wörterbüchern des 18. Jahrhundert erscheint unser chinesischer Weiser deshalb so, wie ihn die westlichen Missionare in China anfangs sehen, als "Urvater einer Secte von Gauklern, Schwarzkünstlern und Sterndeutern, die den Unsterblichkeitstrank und die Mittel suchten, sich in die Lüfte zu erheben". Was wohl gar nicht so weit daneben lag, wenn man die Praktiken des Volkstaoismus zur damaligen Zeit in China betrachtet. Immerhin erhält unser Weiser mit Lao-Tseu seinen ersten westlichen Namen. 1823 ist das Datum, an dem der erste Europäer auftritt, der das kleine Lehrbuch der Taoisten im Originaltext zu lesen vermag und der deshalb als Begründer der europäischen Sinologie bezeichnet werden kann: Abel Rémusat. Die erste vollständige Übersetzung erstellt dann Stanislas Julien 1842. Im neu geschaffenen deutschen Kaiserreich sind es 1870 schließlich Victor von Strauss und Reinhold von Plänckner, die im selben Jahr jeweils eine eigene Übersetzung ins Deutsche vorlegen. Ihre Landsleute erfahren nun erstmals: |
Die ersten Übersetzungsversuche des TaoTeKing sind ganz geprägt von einer westlich-christlichen Sicht, mit der die Philologen seine Begriffe und Werte zu erfassen versuchen. Zur Zeit der Weimarer Republik kann man in deutschen Publikationen hierzu lesen: |
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Lao-tsi (bzw. Laotse, Lao-tse oder Lao-Tse) war Geschichtsschreiber oder Reichsarchivar im Staate Ceu (oder Tscheou oder Tschöu), stammt aus dem Lehnstaat Tshu (oder Thsou), im Kreis Khu (oder Khou), des Bezirks Li (oder Lai), aus dem Dorf Kiok-zin (bzw. Khio-sjin). Sein Sippenname war Li (da sind sich mal alle einig), der Geburtsname Ri (Er oder Erl), der Erwachsenenname Pek-yang (Be Yang, Pe-Yang oder Po-yang) und der spätere Ehrenname Tan (oder Lao Dan). Den Grenzwächter schreibt man nun YinHi (welch Einigkeit!), den Grenzpaß Han Gu (dto.) und dem Ssi-ma-tshien (Si Ma Tsien, Sse Ma Tsien bzw. Sze-ma-chien - genau ...) wird summa summarum zugestimmt. Man konkretisiert Laotses Wirkungsstätte noch mit 'Loyang', der alten Königsstadt am Gelben Fluß. Zum ersten Mal setzt sich unter den Sinologen auch die Meinung durch, daß die berühmte überlieferte Texteinteilung des TaoTeKing in 81 Kapitel erst viel später erfolgte und somit auch deren Überschriften nicht authentisch sein können. Überhaupt fällt es erst jetzt richtig auf, daß in den Werken des Konfuzius der Name eines Laotse nie erwähnt wird. Und auch bei den Schülern von Konfuzius bzw. sogar bei Dschuangdse (dem redegewandten Nachfolger des Laotse) ist nie von schriftlichen Aufzeichnungen des Laotse die Rede! Das ist eine erstaunliche Erkenntnis, ebenso, daß der Begriff des 'Tao Te King' erst durch den späteren Han-Kaiser Han Ging Di (156-140 v.u.Z.) erstmalig eingeführt wurde. Man geht nun sogar so weit und fragt sich, ob Laotse das TaoTeKing überhaupt als Vermächtnis für andere schrieb, oder ob hier nicht nur ein großer Geist seine gewonnenen Einsichten für sich selber zusammenfasste - eine Gedankensammlung, seiner Zeit weit voraus, die den Menschen damals aber unverständlich bleiben musste. |
Langsam trennt sich die Spreu vom Weizen, das Fachwissen wächst und die Methoden werden systematischer. Die Geschichtsforschung kommt nicht nur zu neuen, sondern auch zu ebenso unterschiedlichen Ergebnissen (wie das ja oft so der Fall ist). In den bundesrepublikanischen Publikationen zum Tao Te King heißt es nun: |
. | Lau-dse (bzw. Laotse, Lao-Tse
oder Laudse) war Schriftgelehrter und Bibliothekar im Staate Dschou
(oder Dshou), stammt aus dem Lehnstaat Tschu, im Kreis Ku, des
Bezirks Li, aus dem Dorf Kü-jen an der Nord- grenze des alten Staates
Tschu. Sein Sippenname war Li (Einigkeit nach wie vor), der Geburtsname Ürh
(oder Öl), der Erwachsenenname Bei-Yang (Strahlende Sonne) und der
spätere Ehrenname Lao Dan. Ein Übersetzer meint diesmal, Laotse aus einer "alten
und kultivierten Familie" stammen lassen zu können (eine relativ ungefährliche
Behauptung, da andere sowieso keine Chance auf Wissen und Ausbildung hatten). Beim
Geburtsdatum herrscht Uneinigkeit: Die klassische Fraktion hält aus Prinzip am Jahr 604
v.u.Z. fest, andere Forscher ziehen das Jahr 571 v.d.Z. in Erwägung, halten 480-400
v.u.Z. für eine realistische Lebensspanne oder ordnen Laotse sogar dem 3. vorchristlichen
Jahrhundert zu - was aber die Legende des Treffens mit Konfuzius völlig zum Einsturz
brächte. |
Ein unergründliches Dunkel schwebte also
über der Entstehungsgeschichte des Tao Te King und bot allen Spekulationen
reichlich Raum. Doch 1973 kommt Bewegung in die Laotse-Forschung. In der chinesischen
Provinz Hunan wird nahe der Stadt Mawangdui eine ausgedehnte Grabanlage von Adeligen und
Königen aus der Han-Zeit entdeckt. In einem der geöffneten Gräber finden sich zwei auf
Seidenstoff geschriebene Ausgaben des TaoTeKing. Ihre Datierung (um 200
v.u.Z.)
sowie der Zustand der Texte lassen ganz neue Schlußfolgerungen zu. 1993 werden dann in
einem anderen Grab in der Nähe von Guodian, Hubei, noch ältere TaoTeKing-Schriftstücke
gefunden, auf
Bambusstreifen geschrieben, die diesmal der Zeit um 300 v.u.Z. zugeordnet werden
können. |
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Chronologischer Abriß | |||
Um 1100 v.u.Z. | - | Aus dem Westen dringen Volksstämme mit persischem Kulturgut und patriarchalischer Gesellschaftsordnung nach China ein, unterwerfen die Shang-Dynastie (Thai) und gründen die Zhou-Dynastie. | ||
Ab 770 v.u.Z. | - | Das Reich der Zhou zerfällt zusehens in 16 einzelne Teilstaaten, die alle um die Vorherrschaft kämpfen. Parallel dazu entwickeln Philosophen vielerlei Theorien zur Staatsführung, die sogenannten "Hundert Schulen". | ||
551-479 v.u.Z. | - | Lebenszeit des Konfuzius (Kongzi). Seine Staatslehre wird sich in China langfristig durchsetzen. Die Nachfolger des Kongzi schmücken die Lebensgeschichte ihres Meisters später mit fiktiven Lehrern aus, darunter auch einen namens Dan. | ||
378
v.u.Z. 372-289 v.u.Z. |
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Die Annalen erwähnen einen Hofastrologen und Geschichtsschreiber Tai Shi Dan,
der den Fürsten des Nachbarstaates Qin besucht und ihm prophezeit, daß der
augenblickliche Staat Zhou untergehen und danach ein mächtiger neuer Herrscher
aus Qin kommen wird. Neben der Lehre des Konfizius bildet sich auch eine Schule
der "Geschichtsschreiber-Philosophen". Die Annalen erwähnen außerdem kurz einen Philosophen Guan Yin Xi in Zusammenhang mit einer unbekannten philosophischen Schrift. Lebenszeit des Menzius (Mengzi), berühmtester Schüler des Kongzi. |
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369-286
v.u.Z. Um 300 v.u.Z. |
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Lebenszeit des Dschuangdse (Zhuangzi); seine Gedanken sind sehr
originell und stehen für die Sicht der sogenannten "Eremiten-Philosophen".
Zusammen mit den "Geschichtsschreiber-Philosophen" bilden sie die zweitstärkste
geistige Strömung ihrer Zeit: Die sogenannten "Naturphilosophen" (später
"Taoisten" genannt). Einem Grab in der heutigen chinesischen Provinz Hubei werden Texte beigelegt ("Bambusstreifen-Texte"), die schon die spätere Form des Daodejing aufweisen. |
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280-233 v.u.Z. | - | Der Philosoph Hanfeizi zitiert Texte der Natur- philosophen, die sich auch in der späteren Text- sammlung des Daodejing finden werden. | ||
Ab 250 v.u.Z. | - | Die Nachfolger Zhuangzis erfinden einen Gründer der naturphilosophischen (später: taoistischen) Schule, nennen ihn bewußt Lao Dan ("Meister Dan") und machen so jenen fiktiven Dan der Konfuzianer zu einem älteren Lehrer des Kongzi. In das Werk des Zhuangzi werden jetzt nachträglich neue Kapitel eingefügt, die vom Treffen des Kongzi und des Lao Dan berichten. Die mittlerweile niedergeschriebene Lehrtextsammlung der Naturphilosophen wird nun als Werk jenes Lao Dan ausgegeben. Sie trägt aber noch nicht den Namen Daodejing. Anstelle des Namens Lao Dan wird nun auch die respektvollere Bezeichnung Lao Tse / Laozi ("Alter Meister") eingeführt. Die Anhänger dieser Lehre nennen sich nun "Laoisten" (die Bezeichnung "Taoisten" ist noch nicht in Gebrauch). | ||
221 v.u.Z. | - | Der Teilstaat Qin stürzt die Zhou-Dynastie und als erster chinesischer Kaiser regiert der Despot Qin Shi Huang Di ("Erster Kaiser von Qin"). Die Laoisten entwerfen die Legende, daß Laozi jener Geschichtsschreiber und Astrologe Tai Shi Dan am Hofe der Zhou war, der schon 157 Jahre zuvor den Sieg des neuen Qin-Kaisers vorausgesagt hatte; außerdem besitze Laozi das Geheimnis der Langlebigkeit. | ||
213 v.u.Z. | - | Um jeden geistigen Widerstand zu brechen, läßt der Qin-Kaiser die meisten philosophischen Schriften verbrennen und alle unbequemen Widersacher hinrichten. Die naturphilosophischen Schriften entgehen der Verbrenn- ung. | ||
206 v.u.Z. | - | Der Qin-Kaiser wird gestürzt und die neue Han-Dynastie kommt an die Macht. Die Laoisten ändern die Legende des Laozi und heben bei der historische Gestalt des Tai Shi Dan nun rein auf seine Tätigkeit als Geschichtsschreiber ab. Man entwirft hierfür einen neuen Familien-Stammbaum, der nach Honan, in die Ur-Heimat der neuen Han-Kaiser, zurückführt. Auch jetzt trägt das angebliche Werk des Laozi noch nicht den Namen Daodejing. | ||
Ca. 168 v.u.Z. Um 16o v.u.Z. |
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Dem Grab eines Han-Adeligen werden zwei auf Seidenstoff geschriebene Texte der
laoistischen Schule beigegeben (Mawangdui-Texte). Von unbekannter Hand wird eine Textversion der naturphilosophischen Lehrspruchsammlung mit Kom- mentar niedergeschrieben, die man später der Person des He Shang Gong zuschreibt. Dieser Text wird der Nachwelt überliefert und soll dem Han-Kaiser Wen ausgehändigt worden sein. |
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145-79
v.u.Z. ca. 50-150 |
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Lebenszeit des Großhistorikers Sima Qian. Er kann nur die mittlerweile
landläufige Legende des Laozi in seine Annalen aufnehmen, meldet aber schon
Zweifel an. Erst gegen Ende der Han-Zeit führt die laoistische Schule für den angeblichen Text des Laotzi die Bezeichnung Daodejing ein ("Der Klassiker von Dao und De")! Die Anhänger nennen sich von nun an "Taoisten". |
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Um 246 | - | Der Gelehrte Wang Bi erstellt die erste datierte Textversion des Daodejing und versieht sie mit einem eigenen Kommentar, die von allen chinesischen Gelehrten in der Folgezeit als Standard-Version und Richtmaß angesehen wird. | ||
Ab 250 | - | Die taoistische Schule wandelt sich im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr zu einer religiösen Sekte, mit Klerus, Heiligen und Geisterbeschwörung. An ihrer Spitze steht Laozi, als Gott verehrt. Der philosophische Taoismus spielt eine untergeordnete Rolle. Aus Gründen der Zahlenmystik wird der Text in 81 Kapitel eingeteilt (3x3x3x3) und die Länge des Textes auf knapp 5000 Schriftzeichen zusammengestrichen, um der Legende möglichst zu entsprechen. Der Taoismus erreichte in der Tang-Dynastie (618-907) seinen Höhepunkt, als Laozi zum Urahn des Kaisers erhoben wird und damit höchste Anerkennung erfährt. | ||
1949 1995 |
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Mit der Ausrufung der Volksrepublik China wird jegliche Religionsausübung
untersagt und der Taoismus gilt als konterrevolutionäres Gedankengut. Ein von der chinesischen Regierung offiziell gebilligter und geförderter chinesisch-deutscher Fachkongreß in Xian zum Stand der Laozi-Forschung, wird unter Fachleuten als gewußtes Zeichen der chinesischen Führung gewertet, den Taoismus nun wieder als eine nichtreligiöse Philosophie mit stark nationalem Charakter zu fördern. |
Die
Geschichte von Laozi und dem Daodejing |
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A) Die Person
des Laozi
B) Das Daodejing |
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